Mein Buchtipp für den Adventskalender 2021 MQI
Rabbi Small
Autor: Harry Kemelman
erschienen im Unionsverlag
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Ich liebe Krimis. Nicht die, die brutal daherkommen – nein eher die ruhigen, pfiffigen, anheimelnden mit Charme, die einem auch ein Lächeln ins Gesicht zaubern können. Deshalb hab ich im Nachgang zu den Jüdischen Kulturwochen 2021 ein kleines Schmankerl rausgesucht.
Der US-amerikanische Schriftsteller Harry Kemelman (*1908 †1996,) Sohn russisch-jüdischer Einwanderer, wurde durch die Reihe seiner Rabbi-Small-Krimis berühmt.
Der Morde aufklärende Amateurdetektiv David Small, der in einer jüdischen Gemeinde an der amerikanischen Ostküste Rabbiner ist, lässt uns nicht nur an spannenden Kriminalgeschichten teilhaben, sondern erklärt nebenbei dem Leser die jüdischen Tradition und Denkweise.
Man taucht in den alltäglichen, jüdischen Alltag einer konservativen amerikanischen Gemeinde ein. Rabi Small’s Spezialität ist eine talmudische Methode, feinste Unterschiede zu erkennen und er kommt dadurch der Wahrheit auf die Spur.
Er hilft immer wieder seinen „Schäfchen“ aus der Patsche und ist eigentlich ein bisschen wie „Pater Brown“
Schon die Wahl der Titel der Krimireihe ist vielversprechend:
- Am Montag flog der Rabbi ab.
- Am Dienstag sah der Rabbi rot.
- Am Mittwoch wird der Rabbi nass.
- Der Rabbi schoss am Donnerstag.
- Am Freitag schlief der Rabbi lang.
- Am Samstag aß der Rabbi nichts.
- Am Sonntag blieb der Rabbi weg.
Diese Titel mit Rabi Small durch eine kriminelle Woche wurden in 2015 als Taschenbuch neu aufgelegt. Wenn man das Glück hat und die Kassette mit den Taschenbüchern von 1990 gebraucht erhält, sind folgende Bände noch dabei
- Ein Kreuz für den Rabbi.
- Eines Tages geht der Rabbi.
- Quiz mit Kemelman
Jetzt stellt sich für den Leser die Frage, mit welchem Wochentag fangen wir an? Die meisten von uns würden wahrscheinlich den Montag wählen... Rabbi Small würde sagen: ich wähle den Freitag.
Harry Kemelman kommt mit diesem Krimi das Verdienst zu, eine der ersten richtigen Milieustudien mit einer Krimihandlung verbunden zu haben.
Es geht um Kredithaie, Streitigkeiten, Nachbarschaftszickereien, Familienzwist, Freundschaften, Antisemitismus, Feiertage, Beerdigungen, Machtspielchen, leere Gotteshäuser, Bomben und und und, eigentlich wie überall - um das tägliche Leben mit allen seinen Tücken und Fallstricken.
Was uns heute mit den Venedig-Krimis von Donna Leon Normalität im Umfeld von Raub, Totschlag und Mord zu sein scheint, war in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts noch keine Selbstverständlichkeit.
Das Genre "Krimi" entstand aus der Detektivgeschichte, wo die Handlung nichts, das Milieu ebenso wenig und die Aufklärungsarbeit alles war - bei Rabbi Small ist es anders. Der Leser nimmt an seinem Leben teil, an Freude aber auch an seinen Sorgen, seinen Nöten und Ängsten – lernt wie er denkt und die Aufklärung des Kriminalfalles ist eigentlich ein Nebeneffekt.
Gabriela Wejat-Zaretzke