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scharz2Schwarz ist der Ozean – Was haben volle Flüchtlingsboote vor Europas Küsten mit der Geschichte von Sklavenhandel und Kolonialismus zu tun?

Vortrag von Serge Palasie am 22.11.2021 in Gleis11

Es gibt Rassismus, aber keine Menschenrassen. Wie bitte? Anthropolog:innen gehen davon aus, dass man zwar von „Ethnien“ sprechen kann, wenn man eine bestimmte Bevölkerungsgruppe mit gemeinsamer Identität meint, oder von „Populationen“ in Bezug auf ihre geographische Nähe. Aber genetisch unterscheiden sich Afrikaner, Asiaten oder Europäer nur sehr wenig, von „Rassen“ kann man bei Menschen also nicht sprechen. Dennoch grassiert nach wie vor ein erschreckender Rassismus - wieso?

Serge Palasie, Fachpromotor Flucht, Migration und Entwicklung, er arbeitet für das „Eine Welt Netz NRW“, hat dem Publikum in Gleis11 den Hintergrund deutlich gemacht. Und zwar nicht so akademisch wie es im ersten Absatz dieses Textes klingt, sondern anschaulich und unterhaltsam, gleichzeitig immer seriös.

Wenn wir heute von Flüchtlingswellen sprechen, so bezeichnet das nur die Spitze eines Eisbergs. Darunter verborgen ist die Geschichte der ökonomischen Ausbeutung Afrikas, Lateinamerikas und anderer Teile der Welt durch die europäischen Kolonialmächte. Es ist heute vielen Menschen nicht bekannt, dass Afrika in der frühen Neuzeit ein wohlhabender und wirtschaftlich wie kulturell hoch entwickelter Kontinent war. Bill Gates und Warren Buffett als Ultrareiche sind heute jedem ein Begriff, aber wer hat schon mal von Kanku Musa gehört? Er war Herrscher von Mali, der reichste Mann, der je gelebt hat!


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Kolumbus kennen wir alle als Entdecker. Moment mal – Entdecker? Die Länder, die er bereiste, waren alle schon entdeckt – von ihren Bewohnern! Und die wurden in der Folgezeit massiv ausgebeutet. Billige Rohstoffe flossen nach Europa, teure Fertigwaren zurück. Und Sklaven nach Europa und Nordamerika. Der Zwischenhandel in Nordafrika und dem Nahen Osten, jahrhundertelang in der Hand muslimischer Händler, musste umgangen, am besten: zerschlagen werden – das sind die wahren Ursachen der Kreuzzüge. 50 Millionen Afrikanerinnen und Afrikaner mussten die koloniale Ausbeutung mit ihrem Leben bezahlen – ein unfassbarer Blutzoll!

Gut, werden jetzt einige einwenden, das ist lange her, heute, im Zeitalter der Globalisierung, zählen andere Dinge, die Sklaverei ist abgeschafft. Stimmt, aber: Die ideologische Legitimation der Ausbeutung der Dritten Welt basierte jahrhundertelang auf der Idee des Rassismus, nämlich der Behauptung, es gäbe nun mal genetisch festgelegte unterschiedliche Begabungen und Fähigkeiten. Selbst große Philosophen der Aufklärung, wie Montesquieu („Sklaven müssen sein, sonst wäre der Zucker zu teuer!“), Hegel oder Kant, hingen diesem Irrglauben an. Und er hält sich bis heute. Und was die ökonomische Seite angeht: Der heutige Welthandel benachteiligt immer noch massiv die Rohstoff fördernden Länder gegenüber den Volkswirtschaften, die sich auf Fertigprodukte und Maschinen konzentriert haben. Fast zynisch mutet es an, dass die Industrieländer einen extrem großen Anteil am Klimawandel haben, den die unterentwickelten Länder aber mit Dürren, Überschwemmungen, Brandkatastrophen und anderem in viel höherem Ausmaß erleiden müssen.

Und da sind wir bei den Flüchtlingsbooten: Wer immer noch glaubt, „Wirtschaftsflüchtlinge“ hätten weniger gewichtige Fluchtmotive als politische, der hat die strukturellen Gründe nicht verstanden, die zu den internationalen Fluchtbewegungen der letzten Jahre geführt haben. 

Serge Palasie hat Bilder des Künstlers William Adjété Wilson in seine Ausstellung integriert, die in der vergangenen Woche in Bergheim zu sehen war: In der Hauptstraße 10 haben der Verein ASH Sprungbrett, das Projekt querquadrath sowie das Ehrenamt in der Flüchtlingshilfe ihr Domizil; ihnen gebührt das Verdienst, dieses wichtige Thema ins Gleis11 geholt zu haben. Wilsons Bilder lassen sich hier genauer betrachten: www.williamwilson.fr/en/black-ocean

Das Publikum hat sich sehr herzlich bei Serge Palasie für seinen lebendigen und berührenden Vortrag bedankt. Es kam zu einem intensiven Gespräch, das genau so lang dauerte, wie der Vortrag – ein ermutigendes Zeichen!

Bernd Woidtke