BergReim – Auf ein Wort / Poetry Slam in Gleis11
Leuchtturmprojekte nennt man das – wenn Veranstaltungsorte für Kultur über die Region hinaus strahlen. In Quadrath-Ichendorf steht seit diesem Frühjahr ein solcher Leuchtturm: das Gleis11.
Es gab in atemberaubender Abfolge herausragende Musik – Angela Lentzen Band, Summer of Love, Country & Western mit den Trailriders -, es gab Bahnhofslyrik mit Manfred Bohn, Kindertheater und eine Jam Session.
Und jetzt, ein neuer Höhepunkt: „BergReim – Auf ein Wort“. Ein Poetry Slam der Extraklasse am 24. Mai 2019 in Gleis11.
Poetry Slam? Das ist eine noch recht junge Vortragsform, 1986 erstmals in Chicago performt. Man trägt selbst verfasste Texte vor. Der Unterschied zur Comedy ist dabei fließend. Gelegentlich tauchen auch sehr ernstgemeinte Prosa-Werke auf, oft aber bricht das Publikum in schallendes Gelächter aus. Das Gute (oder manchmal auch Schlechte) dabei: Nach sechs Minuten ist Schluss. Dann kommt der/die Nächste.
Das Niveau des Poetry Slams in Gleis11 war extrem hoch. Die Darbietungen so manches TV-Comedy-Formats hätten hier nur mitleidiges Gähnen hervorgerufen.
Der Moderator des Abends: Quichotte
Beginnen wir mit dem Moderator: Quichotte. Eigentlich heißt er Jonas Klee. Hat zweimal den Rap-Slam im Rahmen der deutschsprachigen Slam-Meisterschaften gewonnen. In QI trat er als Organisator auf. Als Ansager. Als Ergebnis-Aufschreiber. Aber wie er das machte, war bezaubernd: Schlagfertig und einfühlsam schaffte er eine zugewandte, begeisterte und immer faire Atmosphäre im Saal, die zwar den Wettbewerb begleitete, aber keine Verlierer zurückließ – Chapeau!
Die Slammer traten in zwei Gruppen à fünf Teilnehmer*innen an, die beiden Sieger trafen im Finale aufeinander.
Bevor wir zu den Siegern kommen, muss eine erwähnt werden, die knapp dahinter lag: Fatima. Fatima Talalini. Ihr Text war ein Migrationshintergrundsachentschuldigungwarjanichtsogemeint-Text. Extrem lustig. Extrem klug. Auszug: „An jeder Ecke ein Kebabladen und ich sehe nicht so aus, wie ich heiße. Wo kommen Sie denn her? Aus Dortmund. Nein, ich meine wirklich. Aus meiner Mutter.“
Man merkt schon: Die Texte waren von hoher Qualität, hier einen Sieger zu küren, war eigentlich ein Frevel. Christian Gottschalk und Lasse Samström kamen ins Finale. Christian Gottschalk, möglicherweise der Älteste im Kontest, brillierte mit höchst originellen Überlegungen zur Sprachverwirrung zwischen Jugendlichen und Erwachsenen. Der Sieger Lasse Samström trieb den Zuschauer*innen Lachtränen in die Augen mit umwerfenden Schüttelreimen, wie z.B. „Sprüher oder fäter müssen wir zugeben, es ist 12 nach 5, wir müssen die Lende einweiten, wir haben doch alle die rittliche Seife!“ Falls Sie das nicht verstanden haben, folgen Sie einfach dem Autor, der sagt: „Bitte nicht mitdenken! Mein Weltbild bellt wild!“
Die Sieger: Lasse Samström (M.), Christian Gottschalk (r.)
Hier sind sie noch einmal genannt, die witzigen, coolen, originellen Poetry Slammer:
Leonardo Dravoj, Jannis Kaiser, Alina Schmolke, Vincent Sboron, Christian Gottschalk, Fatima Talalini, Maren Fleschenberg, Luca Schuhstar, Rafael Krause, Lasse Samström.
Sie haben auf dem Leuchtturm gestanden und das Licht der Poesie weit über Quadrath-Ichendorf hinaus in die Welt getragen.
Ok, mit diesem pathetischen Satz hätte keiner von ihnen den Poetry Slam Wettbewerb gewonnen. Aber sehr viel Wahrheit steckt in ihm.
Bernd Woidtke