Summer of Love in Gleis11 – starker Auftakt der Konzertreihe!
Eine Reise von Gleis11 nach Woodstock/USA würde laut Google Maps aktuell 15:35 Stunden dauern und 2.464 € kosten. Preiswerter und flotter hatten es die Rock-Fans am Samstag, 27.4.19 in Gleis 11: Hier kam das Woodstock-Feeling gratis ins Haus!
Die Band „Summer of Love“ brachte die Songs von den 60er Jahren bis heute in den kuscheligen Konzertsaal im Quadrath-Ichendorfer Kulturbahnhof. „Summer of Love“ – das sind: Virginia Lisken, Gesang und Gitarre, Jo Lisken, Cajon, und Michael Dorp, Gesang und Percussion.
Für die jüngere Generation – immerhin liegt das legendäre Festival genau 50 Jahre zurück – erklärte Michael Dorp den Mythos von Woodstock: In Wirklichkeit fand das Open-Air-Festval gar nicht in Woodstock statt, wie ursprünglich geplant, sondern in White Lake im Bundesstaat New York, ungefähr 70 Kilometer südwestlich von Woodstock. Das Wetter war miserabel, die Organisation fragwürdig, statt der erwarteten 400.000 Besucher kamen mehr als eine Million, viele Tausend blieben auf den Zufahrtsstraßen stecken. Fragt man sich, warum „Woodstock“ trotzdem zum Synonym für phantastische Musik, Freiheitsliebe, Friedenssehnsucht wurde, dann muss man sich die Musik anhören - nicht nur die auf dem Festival gespielte, sondern die dadurch beeinflusste!
Und diese Musik brachte „Summer of Love“ zu Gehör – und wie! Virginia Lisken ist eine Balladen-Interpretin von Rang, Michael Dorp ein Rock-Shouter höchster Güte und Jo Liskens formidable Cajon-Bedienung ersetzt ein komplettes Schlagzeug.
Und fleißig waren sie zudem: 16 Songs vor der Pause, 16 nach der Pause plus 3 Zugaben – macht 35 Stücke. Man kann nur hoffen, dass der Spendenhut gut gefüllt an die Band zurückkam!
Im ersten Song fielen sie mit der Liebe ins Haus: „The Letter“ von den Box Tops beschreibt die Sehnsucht nach dem geliebten Mädchen – „Lonely days are gone, I’m a-goin‘ home, my baby just wrote me a letter, my baby just wrote me a letter.“ Und für die Heimreise war der schnellste Schnellzug zu langsam, es musste ein „ticket for an aeroplane“ her. Klasse Einstieg, gefühlte 90 % der Zuschauer*innen sangen begeistert mit!
Dass Kalifornien, die Wiege der Hippie-Bewegung, eine bedeutende Rolle in der Rock- und Popgeschichte spielt, bewiesen die Songs „California Dreaming“, „It Never Rains In Southern California“ und „San Francisco“. Die Sonne spielt auch in dem recht sinnfreien, aber extrem erfolgreichen Song „Have You Ever Seen The Rain“ von Creedence Clearwater Revival eine tragende Rolle: „Hast du jemals Regen an einem sonnigen Tag gesehen?“ Die Gegenfrage hat damals wahrscheinlich gelautet: Ey, was hast du geraucht?
Der alte Gassenhauer „House Of The Rising Sun“ war ursprünglich von Bob Dylan geschrieben worden, wurde aber erst durch die Cover-Version von Eric Burdon und den Animals in die DNA jedes Rock-Fans implantiert. „Summer of Love“ verwiesen darauf, dass Ähnlichkeiten dieses Titels mit Gleis11 nicht gemeint seien. Für die Jüngeren: Das „House Of The Rising Sun“ war „the ruins of many a poor boy, and God I know I’m one.” Wir wollen das auf dieser jugendfreien Website nicht weiter vertiefen…
Von hier aus zum makellosen Protestsong war es kein weiter Weg: Barry McGuire schrieb 1965 einen einzigen Hit, aber der hat die Leute nicht nur an die Radios, sondern auf die Straße gebracht, er war der musikalische Startschuss der weltweiten Studentenbewegung – „Eve Of Destruction“. Der Text ist eine Tour d’Horizon durch Gewalt und Krieg in der Welt, handelt vom Hass im kommunistischen China, aber auch den Rassenunruhen in Alabama, drei Jahre vor den Morden an Robert Kennedy und Martin Luther King. Die Resignation kam in den Zeilen zum Ausdruck: „Ah, you may leave here, for four days in space, but when you return, it’s the same old place…”
Acht Jahre später, 1973, schrieb Bob Dylan den Song „Knockin‘ On Heaven’s Door“ für den Film „Pat Garrett & Billy The Kid“ – er zeigt auch nicht gerade einen Ausweg am „Eve Of Destruction“, denn er beschreibt die Gefühle des angeschossenen Sheriffs Baker, der im Beisein seiner Frau auf den Tod wartet.
Ein bisschen Trost gab es in der Zugabe: „Stand By Me“ ist die rührende Ballade von Ben E. King mit den erschütternden Zeilen „No I won’t be afraid, no I won’t be afraid, just as long as you stand by me, stand by me.“ Für Bibelfeste konnte die zweite Zugabe Hilfe geben: „Hallelujah“ von Leonard Cohen, eine vielfach gecoverte Ballade, die sich an biblischen Motiven orientiert. Und mit Rod Stewards „Sailing“ segelten die glücklichen Zuschauer*innen am späten Abend nach Hause, diverse Melodien vor sich hinsummend, dem Partner oder der Partnerin beseelt in die Augen schauend: Weiß du noch, wie das war, damals, im Summer of Love....?
Hier ist die komplette Setlist.
Ein powervoller Abend im Gleis11, der Lust auf mehr erzeugt hat! Und es kommt ja mehr – schaut euch die Termine in Gleis11 an, dem neuen Kulturbahnhof mit einer großen Zukunft!
Bernd Woidtke
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