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kleine problemeMein Buchtipp für MQI - April 2024

Die dritte Hälfte des Lebens


Autorin: Anna Herzig

erschienen im Otto Müller Verlag

Ein Apfel auf einem schlichten Holztisch, ein sonderbar anmutender Titel und ein Klappentext, der ungewöhnlich geschrieben ist - ich hätte dieses Buch vermutlich in der Buchhandlung wenig beachtet. Trotz oder gerade wegen dieses ersten Eindrucks, habe ich dem Debütroman von Anna Herzig eine Chance gegeben und eine behutsame und zugleich entlarvende Darstellung einer Dorfgemeinschaft gelesen, die mich berührt hat.

Im fiktiven Ort Krimmwing, irgendwo in Österreich, leben vorwiegend "normale" Menschen, aber es gibt dort, wie überall auf der Welt, die Aussenseiter. Ein junger Bauernsohn, der seine Passion für Frauenkleider verbergen muss, eine alleinerziehende Mutter mit ihrem Sohn, der die dunkle Hautfarbe seines Vaters nicht verstecken kann und eine junge Frau, die durch ihre körperliche Besonderheit auffällt - das sind die tragischen Helden dieser Geschichte. Die Autorin teilt ihre Erzählung in zwei Kapitel - "Was man gehört hat" und "Was die Leute sagen". Obwohl ihr Schreibstil sehr ungewöhnlich ist, gelingt es ihr, die Folgen der brodelnden Gerüchteküche in Krimmwing dem tatsächlichen Geschehen gegenüber zu stellen und das Schicksal der vier Aussenseiter eindrucksvoll zu beschreiben.

Man fragt sich als Leser, was sich an der Geschichte verändert hätte, wenn die vier Protagonisten offen mit ihrem Anderssein umgegangen wären und die Dorfbewohner toleranter reagiert hätten, aber dann muss man sich auch fragen, warum ein solches Buch überhaupt geschrieben werden muss, denn der Umgang mit Normen und Anderssein ist ein Problem, das die Menschheit bisher noch nicht zu lösen vermocht hat.

"Die dritte Hälfte eines Lebens" von Anna Herzig ist trotz des eigenwilligen und etwas komplizierten Schreibstils ein lesenswerter Appell für mehr Toleranz und Selbstbewusstsein.

Susanne Winand

ISBN:  978-3-7013-1293-1