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Klingelingeling - da sind wir wieder ...      (eine Lesergeschichte)

Manchmal sind es die ganz kleinen Steinchen, die einen Erdrutsch auslösen können. „Hört sich blöd an, ist aber so.“ würde es vielleicht in der Sendung mit der Maus heißen.


Hier in QI lebe ich seit 1991 in der Sandstraße. Um mich hier etwas schneller einzugewöhnen hatte ich mich seinerzeit beim 1.FC-QI angemeldet. Bei einer Breitensportgruppe für das s.g. Starke-Geschlecht. Heute nennt man uns die HerrenSport-Gruppe. Im Sommer kämpfen wir unsere Laster auf dem Sportplatz nieder. Bei ungemütlichen Witterungsverhältnissen sind wir etwas unauffälliger in der Turnhalle. Eigentlich treffen wir uns nicht unbedingt, um unsere Astralkörper zu pflegen, sondern mehr wegen Freud und Spaß. Ein Sportabend, an dem es nichts zum Lachen gibt, ist umsonst.


Nicht nur wir, auch die Kinder in QI wollen ihren Spaß haben. Besonders auch dann, wenn er mit dem Reiz des Abenteuers verbunden ist. Wir vom HerrenSport merken das, wenn während der Sportstunde die Hallenklingel erschallt – aber niemand vor der Tür zu sehen ist. Klingelstreich wird das üblicherweise genannt. Diese Form der „Bespaßung“ kennt man seit dem Menschen hinter Türen wohnen. Anfangs wurde geklopft. Dann, nach Erfindung der Klingel, halt eben aufs Knöpfchen gedrückt. Man geht mit der Zeit. Auch was das Streiche-Verhalten angeht. Da kann garantiert jeder Erwachsener seine Geschichten zu erzählen. Das gehört irgendwie zum Leben.


Etwas unangenehm ist es stets, wenn ein erträgliches Maß ausgereizt wird und aus Spaß eine Lästigkeit wird. So, als wenn man Mama beim Zwiebelschälen nicht nur einmal erschreckt sondern gleich zehn mal. Wer das noch nicht erfahren hat, kann das gerne mal ausprobieren – und sein Erlebnis hier bei MQI zum Besten geben.


Ich schweife ab. Jedenfalls, das wollte ich gesagt haben, mussten wir all die Jahre während des Hallentrainings, die überraschenden Klingelstreiche erdulden. Üblicherweise wurde nicht öfter als ein-zwei mal gestört und dann war es gut. Wir haben als Erwachsene uns kurz gezeigt, ein ernstes Gesicht gemacht - und alle waren zufrieden. Bis zum Jahr 2014, wenn ich mich recht erinnere. Da begann sich etwas aufzuschaukeln.


Anfangs hatten wir minutenlang keine Ruhe. Dann wurde die Klingeltaste des öfteren blockiert. Dann liefen die Protagonisten auch gar nicht mehr davon um sich zu verstecken. Dann gab es sogar eine Schar von amüsiertem Publikum, die das Schauspiel in aller Ruhe genoss. Schließlich konnten wir an der Uhr erkennen, wann es wieder soweit war. Für 15 bis 20 Minuten war unser Sportbetrieb nur eingeschränkt möglich.


Was konnte man hier von unserer Seite aus unternehmen? Mit so einer Schieflage hatte von uns niemand Erfahrung, geschweige denn ein Rezept parat. Einige von uns, die etwas spontan veranlagten Kameraden, probierten es mit Schimpfen. Auch mit Hinterherlaufen. Auch mit Ins-Gewissen-Reden. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass all jene „Standard-Maßnahmen“ hier genau das Gegenteil bewirkten. Von einem Rückgang der Klingelstreiche konnte keine Rede sein. Wir waren komplett ratlos.


Aber für was gibt es denn Frauen? Wie immer, wenn wir Männer nicht mehr weiter wissen, heulen wir uns bei einer Dame unseres Herzens aus.
So suchte ich schließlich Rat bei der meinigen Herzensdame. Diese hatte natürlich schon lange unsere Situation rund um die Klingeltöne mitbekommen – sich aber stets mit Kritik oder Ähnlichem zurück gehalten. Wie Mütter halt eben sind, wenn es um Kinder geht. Erst einmal gegen die Herren in Schutz nehmen und dann weiter sehen.


Wie bei allem was ich nicht verstehe, schwingt auch der Reiz mit, etwas zu lernen. Ich sah es nun als meine Pflicht an, mich mit der Truppe vor der Halle zu verständigen.


Wahrscheinlich sahen die Jungs in mir auch nur einen weiteren Erwachsenen, der sie vom Klingeln abhalten wollte. Klar, darum ging es – auch. Aber nicht mehr allein darum. Man hatte also kein Vertrauen in mich. War zu erwarten. Dennoch, ich durfte jetzt nicht mehr aufgeben. Ich wollte mit den Jungs, die inzwischen auch älter waren als zehn Jahre, in Ruhe reden.


Vor der Halle waren ernsthafte Gespräche eigentlich nicht möglich. Also musste ich heraus bekommen, wo so eine große Gruppe eigentlich her kam. Das war schnell erkannt. Das waren unsere eigenen Jugendfußballer, die nach Trainingsende an unserer Halle vorbei kamen und sich einen Spaß erlauben wollten.
Ich sprach mit dem Trainer. Der Erfolg seiner Ansprachen war recht bescheiden.


Dann besuchte ich die Mannschaft beim Training. Das werde ich so schnell nicht vergessen. Viele der Jungs waren deutlich irritiert, als sie erfuhren, dass wir alle im gleichen Verein sind. Dass wir alle Sportkameraden sind und somit eine gemeinsame Familie. Und, was mir besonders wichtig ist, dass wir Alten auf unsere Jugend stolz sein wollen. Das sollten eigentlich alle jungen Leute wissen. Diese Nachwuchsfußballer werden in den nächsten Jahren für unseren gemeinsamen Verein kämpfen und hoffentlich den ein oder anderen Pokal einholen.


Ich besuchte danach auch ein Spiel der Mannschaft und darf sagen, dass mir die Burschen sehr imponiert haben. Tolle Talente dabei, die hoffentlich unserem Verein erhalten bleiben.


Langsam hat sich die Klingelei danach eingestellt. Einigen „Mitläufern“, die nicht zur Mannschaft gehörten, durfte ich noch separat hinterher laufen und ansprechen.


Heute noch, wenn ich den ein oder anderen aus dem Klingelteam erkenne, lächeln wir uns an. Die Bengels kann man doch einfach nur gerne haben, oder?

 

Harald Bous