Ja, ja – die U-Frage …
Es kann sich keiner vorstellen, was dieser Artikel seither Kreise gezogen hat.
Das schönste: U.‘s Sohn, der durch Zufall beim Herumstöbern auf diese Geschichte traf, meinte zu Hause, so ganz nebenbei, „Papa, das könntest Du gewesen sein …“
Es wurde manches in QI-Arbeitskreisen an U.-Antworten gesucht – und auch sicherlich gefunden. Im Grunde ist es jedem selbst überlassen, welche Gründe für sein Handeln gelten sollen und welche nicht.
Nun, ich will hier keine philosophischen Grundsatzbetrachtungen wälzen. Sondern eine Geschichte erzählen.
Fangen wir in der Zeit an, als die U.-Frage in meine Leben eintrat - nämlich in 2012. Der Prozess im Ort „Bürger machen Stadt“ hatte mich auf geheimnisvolle Weise eingefangen. Immer öfter war ich mit Themen beschäftigt, von deren Tragweite ich vorher wenig Ahnung hatte. So Sachen wie „Dunkelräume“ oder „Jugendbetreuung“. Themen also, die nicht unbedingt zu meiner Lebensweise gehören.
Da treffe ich bei Veranstaltungen im StadtteilLaden MitbürgerInnen, von deren Existenz ich zuvor nichts wusste. Menschen, die seit Jahrzehnten auch da einkaufen, wo wir auch einkaufen. Die auch da spazieren gehen, wo auch wir gelegentlich unterwegs sind. Nur wahrscheinlich zu anderen Zeiten. Mit-QI-Menschen, die erstaunlicherweise die gleichen Einstellungen und Meinungen haben wie ich selber.
Donnerwetter, es gibt sie also doch: die Gemeinsamkeiten. Wer hätte das gedacht.
Hm, wieso bekommt man so schlecht mit, ob es Gemeinsamkeiten gibt oder nicht?
Es war wie bei einem Silvesterfeuerwerk – entweder ist es ruhig am Himmel oder es blitzt und kracht in irgendeiner Ecke dort oben. Wir machen und tun, treffen uns, organisieren und - leben unser QI-Leben wie sonst auch. Dann kommt wieder so ein Kracher. Auf einer der vielen Veranstaltungen knistert die Luft scheinbar. Es riecht nach „Wir stehen alle zusammen an einem Strang“. Tage später frage ich mich, ob wir nicht besser am Strang ziehen sollten als nur dabei zu stehen.
Mitmacher erscheinen auf der Bildfläche und sind sehr motiviert und aktiv. Da tut sich etwas in QI. Eindeutig.
Da werden Themen ins Leben gerufen, die uns allen wichtig sind. Es werden Konzepte erstellt und Ziele beschrieben. Visionen tauchen auf und lassen uns träumen – und hoffen.
So vergeht das Jahr 2013. Ich denke an die Initiative Bürger für QI, das Netzwerk-QI und auch daran, dass sich mehr als 20.000 Klicks auf unserer Homepage registrieren ließen.
Aber es gab auch Rückschläge und Enttäuschungen. Gewohnte Gesichter blieben fern. Der ein oder andere ließ auch schon mal den Kopf hängen oder orientierte sich anders.
Das Jahr 2014 unterschied sich aus meiner Sicht wenig vom Vorjahr. Ist da etwas festgefahren? Sollte das alles gewesen sein?
Dann sprechen mich Menschen an und haben Interesse, dabei zu sein und an den QI-Schrauben mit zu drehen. Da haben welche Ideen und Mut sich zu bewegen. Da schreibt jemand bei Facebook, dass er 31 Jahre alt ist und davon 30 Jahre in QI lebt. Dass er QI immer noch schön findet, so wie schon immer.
Da gibt Erhan eine Geschichte über QI ab, die meine Gattin und mich tief berührt hat. Die insbesondere Jugendlichen tief aus der Seele spricht. Man redet über QI auch Positives und Unterhaltsames. Die Zustimmungen sind häufiger zu hören. „Es ist doch nicht alles schlecht bei uns.“ „Da sind doch einige Verbesserungen gewesen, die unser QI deutlich aufgewertet haben. Denk doch mal an den Tierpark mit dem wunderbaren Spielplatz. Da, wo der Tierparkverein herrlich gemütliche Feste veranstaltet.“ „Haben wir in QI nicht alles was wir brauchen?“ usw. …
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Und da gab es die Idee einen „Tag des Sports“, aus dem heute „Tag der Vereine“ geworden ist. Für mich fing alles total chaotisch an. Ich vertrete da unseren 1.FC-QI, den größten Sportverein des Ortes mit zehn Abteilungen und etwa 1.200 Seelen. Nicht nur, dass sich die Gemeinschaft der Planungsrunde mehrheitlich für einen Zeitpunkt entschied, an dem alle unserer Jugendgruppen auf Tour sind – nein, es fehlte mir jegliche Idee, wie wir uns an diesem Tag einbringen sollten.
Mal keine Idee zu haben ist gar nicht so ungewöhnlich. Doof ist nur, wenn dieser Zustand kein Ende nehmen will.
Dann kam das Planungsteam für den „Tag der Vereine“ im Januar 2015 wieder zusammen. Der StadtteilLaden war gut gefüllt. Viktoria, die das Ereignis federführend organisiert, konnte zahlreiche Vereine mobilisieren (- und es waren noch nicht einmal alle gekommen). Diesmal hatte sich unser Geschäftsführer Stefan bereit erklärt, mich zu begleiten. So war ich zwar nicht mehr alleiniger Vertreter unseres Vereins dort – hatte aber immer noch keinen Plan im Kopf …
Es wurden die bekannten Fakten erläutert und besprochen. Ich hatte mit meinem Knoten im Kopf zu kämpfen. Endlich wurde es konkret. In allen Farben wurde der Tag im Ablauf beschrieben. In meinem Kopf begann sich der Nebel zu lichten – aber der Knoten …
Dann musste ich mich „outen“: „Leute, tut mir leid, ich habe einen Knoten im Kopf. Ich kann mir noch nicht vorstellen, wie ich unseren Verein an diesem Tag auftreten lassen soll.“ Es war heraus. Es musste heraus.
Zwar sahen mich nun alle an. Aber keine blöde Bemerkung, kein mitleidiger Blick, nichts dergleichen.
Viktoria begann mit aller Ruhe, die Ziele noch einmal darzulegen. Andere ergänzten aus ihrer Sicht. Stefan, der mein Problem kannte, baute Brücken. Alle, ob sie es absichtlich machten oder auch nicht, halfen mir meinen Knoten im Hirn zu lösen.
Heute habe ich einen Film im Kopf, den ich jederzeit abspulen und kommentieren kann.
An jenem Abend habe ich deutlich gespürt wie es ist, wenn eine Gemeinschaft sich ein Ziel setzt und darauf achtet, dass keiner zurück bleibt. Leute, ich kann nur sagen: das fühlt sich unglaublich gut an.
Es bewegt sich etwas in QI.
Harald Bous, Februar 2015